Herbe Verluste

Vergangene Woche berichtete der Mannheimer Morgen in einer kleinen Meldung über eine Studie der Universität Hohenheim. Das dortige Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie konstatiert darin den massiven Schwund von Streuobstbeständen in Baden-Württemberg. So gab es 1965 noch gut 18 Millionen Bäume, 2009 waren es nur noch 9.3 Millionen, und bei der jüngsten Erhebung wurden lediglich 7.1 Millionen gezählt. Bei gleich bleibender Entwicklung, so die Studie, steht zu befürchten, dass wir uns um das Jahr 2050 von der letzten Streuobstwiese verabschieden.

Schwund? Massiv? - Irgendwas stimmt hier doch nicht mit unserer Wahrnehmung überein. All die Initiativen zu Baumschenkungen, Baumpaten, Ausgleichsflächen. Ständig steckt irgendwo irgendwer einen Spaten in die Erde, um im Bild festgehalten einen Baum zu pflanzen. Mit der Aktion 1.000 Gemeinden 1.000 Bäume wurden uns gar eine Million neue Bäume in Baden-Württemberg versprochen. Unsere Gemeinde ist auch dabei. Alles bestens also, wir haben kapiert? -

Nun, Baum ist nicht gleich Baum. Streuobstwiesen sind zwar das Juwel artenreicher, ortsnaher Biotope, aber mit einer wesentlichen Einschränkung: nur ältere, über viele Jahre gewachsene Gemeinschaften von Hochstammgehölzen können ihren Nutzen als Habitat für Insekten, Vögel und viele mehr voll entfalten. Das Verschwinden von Artenvielfalt in unmittelbarer Nähe hat also zu tun mit der Zerstörung speziell alter Bestände, auch von Streuobstwiesen. Eine brisante Faktenlage. Wir können uns keine Verluste ortsnaher Biotope leisten. Neuanlagen sind kein Ersatz und beruhigen allenfalls das Gewissen. Auch bei uns anstehende neue Bebauungen müssen dem Rechnung tragen. Umweltschutz muss glaubhaft und nachhaltig direkt vor unserer Haustür stattfinden. Ökopunkte zu kaufen, wie das jetzt Plankstadt als Ausgleich für ein neues Gewerbegebiet vorhat, reicht nicht. Natur ist nichts, was man nach Belieben umkrempeln kann. Nach wie vor fügen wir der Natur herbe Verluste zu und glauben, sie irgendwie ersetzen zu können.

Neulich wurde gemeldet, dass sich eine Eule als blinder Passagier in einem Weihnachtsbaum versteckt hatte. Umgekehrt: das Zuhause einer Eule wurde willkürlich zu einem Weihnachtsbaum erklärt und abgehackt, die Eule verletzt und heimatlos - und die blinden Passagiere, das sind wir. (UD)