Falsche Weichenstellungen?

 

Am gestrigen Mittwoch befasste sich der Gemeinderat mit einer Vorlage, die den Einstieg zu Planungen einer Marktansiedlung in Neckarhausen Nord zum Ziel hat. Es ging um die Frage Markt ja oder nein auf Basis der von  EDEKA vorgelegten Planungen. Zudem war in Artikel und Kommentar des MM kürzlich zu lesen, dass derjenige, der die Mobilitätswende in ENNE voran bringen wolle, sich für dieses Projekt aussprechen müsse. Aus unserer Sicht sind hierbei gleich mehrere Aspekte als problematisch oder sogar als schlicht falsch anzusehen - der Reihe nach:

 

EDEKA hat seine Pläne im Vorfeld detailliert offen gelegt. Bei der Präsentation durch einen Mitarbeiter von EDEKA haben wir gelernt, dass hier zwingend 120 Parkplätze angelegt werden sollen und EDEKA nicht bereit ist, die Anzahl der Parkplätze zu verringern. Aus Sicht von EDEKA natürlich nachvollziehbar, denn die Neue L597 wird ein Verkehrsmagnet werden, und zwar für Autofahrer, die Schätzungen des Verkehrsministeriums zur täglichen Frequenz auf der neuen L597 wurden mehrfach nach oben korrigiert. Diese Kunden hat EDEKA auf der Rechnung und hier ist auch der Grund für die große Anzahl der Parkplätze zu sehen. Denn selbst in den Werbeunterlagen von EDEKA zeigt sich eine eigenartige Diskrepanz im Proporz von Kunden zu Parkplätzen: EDEKA Völkle Edingen: 50 Parkplätze und Umkreis von 750 Metern wohnen 4.102 Menschen. EDEKA Neckarhausen: 120 Parkplätze, aber im Umkreis von 750 Metern (werden) 2.228 Menschen wohnen. Würde man also davon ausgehen, dass Kunden ähnlich wie in Edingen zu Fuß oder mit dem Rad kommen, oder kommen sollen, würden 25 Parkplätze ausreichen, was einen Überschuss von 95 Parkplätzen bedeuten würde. Der Markt wird also, gewollt, sehr stark von außerhalb Neckarhausens frequentiert werden und an der Anschlussstelle zu einem großen Verkehrsaufkommen führen. Anders, als in den Unterlagen von EDEKA beschrieben, wird dieser Markt nicht Autofahrten zu anderen Grünewiesemärkten erübrigen, sondern ganz erheblich neuen Autoverkehr generieren, was zu einer Verschärfung der Gefährdungslage für Zufußgehende und Radfahrende an der Einmündung führen wird. Bei dieser Konstellation von Anreizen für eine Mobilitätswende zu sprechen ist schlicht absurd. Die wenigen eingeplanten Fahrradparkplätze am Markt folgen also dem Feigenblattprinzip und werden niemandem gar als Argument für den Umstieg dienen. Menschen die ihre Einkäufe mit Lastenrad, Rad und Anhänger oder zu Fuß machen wollen, tun dies schon jetzt aus Überzeugung und trotz der sehr autozentrierten Infrastruktur. Die OGL versucht seit Jahren die Mobilitätswende in ENNE voranzubringen, die Qualität und die Sicherheit des Rad- und Fussverkehrs signifikant zu steigern und hierzu Anträge in den Gemeinderat einbringen. Die Erfolge bei Umwidmungen von Verkehrrsraum, leider nur anderswo, belegen eindeutig, dass solche Maßnahmen, wie z.B. die Einrichtung von Fahrradstraßen dazu führen, dass Menschen aufs Auto verzichten. Die Schaffung von neuen Autoparkplätzen ist dagegen nicht dafür bekannt.

 

Die Begehrlichkeiten rings um den Neubau der L597 folgen leider einem fatalen Muster, das in der Vergangenheit zu dem dramatischen Verlust von kostbaren naturnahen Flächen geführt hat. Schon erfolgte Eingriffe in die Natur dienen als Rechtfertigung für alle folgenden. In diesem Fall steht gar ein ausgewiesenes Landschaftsschutzgebiet zur Disposition, für den Bau von 120 Parkplätzen. Der Supermarkt auf der grünen Wiese ist eine Wohlstandsformel aus dem vergangenen Jahrtausend. Unzählige fatale Entwicklungen, wie Verödung der Ortskerne, die autozentrierte Mobiltät, die großflächigen Bodenersiegelungen mit allen katastrophalen Auswirkungen auf die Natur gehen darauf zurück. All diese Opfer sind ausreichend dokumentiert und trotzdem machen wir weiter. (UD)

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